Dienstag, 18. Dezember 2012

Es gibt keine Kunst im Internet!!

Analoge Collage
Es gibt keine Kunst im Internet! So die steile These von Ruppe Koselleck. Ist da was dran? Ich bin mir da nicht so sicher. Allein die schon die anschließend geäußerte These, das Leben im Netz, besonders bei Facebook, sei nur virtuell, zeigt für mich die kulturpessimistische Sicht der alten Leute. Die Unterscheidung zwischen dem "echten" Leben und dem "virtuellen" Leben ist längst eine hinfällige. Das Internet ist eine  geradezu superreale Komponente des wirklich wahren Lebens geworden. Auch die Wirtschaftskämpfe der Zukunft werden sich vermehrt an der Front der Bits und Bytes abspielen, seien es nun die Rechtsfragen bei Musik, Bildern und Filmen, der Kampf zwischen Google und den Verlagen um ein Leistungsschutzrecht oder der Handel mit unseren Daten und Profilen.


Anloge Collage
Die Profile spielen eine Rolle, die sehr wohl in das echte Leben hineinspielen, sei es bei der Bewerbung um eine Stelle, bei der Beurteilung unserer Kreditwürdigkeit oder bei Überwachungskonzepten wie INDECT. Das Netz legt sich wie eine zweite Haut um unsere Existenz. Es ist ständig präsent und immer stärker auch sichtbar auf den Bildschirmen unserer Telefone und Tabletts. Kann ich da als Künstler sagen, ich gehe wieder in die analoge Höhle und male Schattenmammuts an die Wand?

Anloge Collage
Ich denke nein. Die Kunst der Zukunft findet im Netz statt, zumindest wird sie da ausgestellt und dokumentiert. Eine größere Ausstellungshalle als das Netz gibt es nicht, der Ausstellungsraum ist barierrefrei, niedrigschwellig und partizipativ. Es handelt sich um aufsuchende Kulturarbeit. Ich bin versucht zu sagen: Es gibt keine Kunst mehr ohne das Netz. Sicher, die harte materielle Seite der Existenz ist nach wie vor vorhanden und nicht wegzueditieren, aber sie ist eben längst nicht mehr alles.


Anloge Collage
Und weiter noch, ich behaupte, dass wir eventuell solche Konstrukte oder Konzepte wie Kunst überdenken müssen im Zeitalter der Meme und des Netzes. Sind sie überhaupt noch haltbar oder wollen wir sie beibehalten als Oase für ein kleines reaktionäres Trüppchen, das noch immer im 20. Jahrhundert stecken geblieben ist? Das sich in einem schlecht verstandenen Elfenbeinturm von der Welt um sich herum abkapselt und so tut als würden wir immer noch in Blechrüstungen rum laufen, um edle Burgfräulein vor bösen Magiern und feuerspuckenden Drachen zu beschützen. Kunst ist ein Signifikant unter vielen. Ein verblassendes Fresko im Dschungel der Zeichen. Wenn es wieder in voller Pracht und mit neuer Bedeutung erstrahlen will, muss es überdacht werden und sich den Herausforderungen einer sich ändernen Welt stellen und sich nicht hinter Burgmauern verstecken.

Anloge Collage
Eine Patentlösung habe ich nicht, aber so zu tun, als wären Twitter, Google oder Facebook nie erfunden worden, ist die gute alte Vogelstrausstechnik. Und nur dagegen zu wettern reicht nicht. Wenn Kunst überleben will im Gewitter der Daten, muss sie es schaffen, ein Update einzuspielen in ihr Betriebssystem. Sie braucht ein zeitgemäßes OS. Eventuell muss man sich das als Opensourceprojekt vorstellen.
Anloge Collage
Sicher, es darf noch stets gemalt werden, aber das ist wie Kammermusik und MP3, auch dort gibt es gewisse Weiterentwicklungen. Kunst ist heute medial, ob es den Künstlern passt oder nicht. Oder warum existieren all diese netten Pornos wie Kunstforum, Monopol, Art, Texte zur Kunst usw? Und diese Medialität findet im Netz seine konsequente Fortsetzung und Demokratisierung. Ob Kunst nun demokratisch ist? Nun, dies ist eine Frage, wie man Eliten begreift. Ich verstehe sie sicher nicht so, dass man sich in netten Kunsträumen versammelt um sich selbst zu dem erlesenden Geschmack und den brillianten Verstand gratuliert, den man gerade eben als Kunstkenner ausgestellt hat. Fuck that!

Anloge Collage
Und nix gegen Museen oder Kunsträume, nur müssen die eben mal über sowas nachdenken. Was sie sicher auch tun. Denn sie sind ja auch nicht alle doof - die meisten nur ein wenig angestaubt.

How many rivers we have to cross before we can speak to the boss...

Liebes Lektorat, dieser Text hat es dringend nötig!

Anloge Collage


5 Kommentare:

  1. dass es keine kunst im netz gibt:
    q.e.d. wie man leider schreiben muss.
    aber der breitenstein erledigt die netz und kunstfrage postwendend, geblogt und für den ganzen deutschsprachigen raum. .-)
    in der tat es gibt keine kunst im netz. in jedem fall nicht diese. es sind alles nur bilder - abbilder von bildern usw. gruß vom meisterschüler

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  2. @dereisterschüler. ich erkläre deine Antwort hiermit zu Kunst. Und das sie im Netz ist, steht ja außer Frage.

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  3. wasist denn malerei? nen bild. klar kann man jetzt die pfeife die keine ist ins spiel bringen, aber ich empfehle mal diesen netten beitrag in der sz: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/38669 zum lesen. und ausserdem ist da noch der verweste leichnam non walter b. zu bedenken.
    muss kunst "original" rezipiert werden? bei jeder eröffnung geht es doch eher ums soziale sehen und gesehen werden, kunst kann man sich da besser gleich auf abbildungen anschauen. was man zum grossteil ja auch macht. entweder in magazinen, katalogen oder eben dem netz. grade bei konzept kunst macht das null unterschied. und wenn es um die sogenannte körpliche erfahrung ala bruce nauman geht, die bietet ähnlich auch ne themepark attraktion ala achterbahn. ich will ja nicht kunst beerdigen, aber ich finde das konzept kunst und auch das des museums in diesen digitalen zeiten neu gedacht werden müssen. auch wenn ich nicht unbedingt sagen würde digital ist besser, würde ich doch behaupten wollen digital verändert die bedingungen von kunstproduktion, thematik und präsentation. digital zu verdammen ist irgendwie recht billig, aber scheinbar sehr angesagt, wenn man sich so schwachsinnige publikationen wie "digitale demenz" ansieht. die protagonisten sollten sich lieber mal überlegen, wie sie *achtung* kreativ mit dem netz umgehen können, statt zu jammern, dass früher alles besser war. und die leidige netzkunst lass ich dabei noch mal aussen vor.

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  4. und nebenbei: ev. sollte kunst eben genau übder das wesen von bildern nachdenken: bilder von bildern von bildern und wie sie sich das im zeitalter des netzes dazu verhält. weiter eitempera auf buchenholz? wegen des tiefenglanzes...
    oder bildverweigerung oder bilder eben als das zeigen was sie sind: konstruktionen. eben auch mediale.

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