Montag, 1. September 2014

Alternativlosigkeit

Dada Press

 Seit Maggie Thatcher prägt die Alternativlosigkeit unsere gesellschaftliche und politische Gestaltung. Auch Frau Merkel nutzte dieses Wort schon das eine oder andere mal um unpopuläre Entscheidungen durchzudrücken. Die schlimmste aller Alternativlosigkeiten ist in meinen Augen aber eben jene über die wir gar nicht mehr nachdenken: die der neoliberalen Ideologie.

Wahrscheinlich wird mir jetzt paranoides Denken unterstellt und ich gebe ich zu, dass ich durchaus darunter leider. Wer sich jedoch einmal von der Gleichung "Zeit ist Geld" ausklingt und sich die Ruhe nimmt (Modesprech: sich entschleunigt) um über gewisse Tendenzen und Mechanismen in unserer Gesellschaft nachzudenken, diese dabei mit einigen Theorien der Psychologie in Verbindung setzt, wird nicht umhinkönnen, dass wir in unserer Wellness-Diktatur eine perfide gesellschaftliche Steuerung nutzen.


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Zunächst werden wie aus dem Lehrbuch von Pawlow und Skinner von klein auf darauf konditioniert, was wichtig ist im Leben: Wettbewerb, Leistung, Effizienz, Erfolg, Wachstum, Glück und vor allem Geld. Die Dressuranstalten die nominell dazu da sind uns zu bilden[*1], dienen eher dazu uns zu Robotern des Marktes zu machen. Willige Legehennen des Kapitalismus. Im Gegensatz zu offen repressiven Gesellschaften wie China, Nordkorea oder Russland werden wir nicht in Käfigen gehalten, sondern im Freilauf, aber ordentlich Eier legen müssen wir trotzdem. Sonst landen wir in der Alugrillpfanne für 1,99 beim Discounter. Zur Not wird einmal der Wasserwerfer mit den Schrecken des real existierenden Sozialismus auf uns abgefeuert und Ruhe ist. Das führt dazu das jeglicher Denkraum geschlossen wird, in dem man über mögliche Alternativen nachdenken könnte. Das beliebte Zitat, dass wir uns eher den Weltuntergang vorstellen können, als eine Alternative zum Kapitalismus trifft es ganz gut. Dabei war der von der Sozialen Marktwirtschaft (R.I.P.) eingeschlagene Weg gar nicht so übel. Aber natürlich, die Sachzwänge und die Globalisierung.

Auch wenn wir das soweit erkennen, trauen wir uns jedoch nicht daraus Konsequenzen zu ziehen. Sicher Sweatshops, Kinderarbeit, Unterdrückung, der Umweltgau und die totale Verwertbarkeit unserer komplett überwachten Existenz bereitet uns manchmal nachts einen unruhigen Schlaf, aber ändern können wir ja nichts. Das hätte eventuell unangenehme Folgen und Nachteile. Die diffuse Lage der delegierten Verantwortung fühlt sich als Ruhekissen für das Gewissen unwahrscheinlich toll an, haben Eichmann und Co auch schon so gesehen und nur ihre Pflicht getan, indem sie Befehle ausgeführt haben. Diffuse Verantwortung, Gehorsam gegenüber Befehlen vermeidlicher Autoritäten, sehr schön sind diese nicht rein deutschen, sondern universellen Eigenschaften in den Theorien und Experimenten von Solomon Asch, Stanley Milgram und Philip Zimbardo herausgearbeitet worden.

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Das dies bei uns kleinen pawlowschen Welpen wirkt, daran hege ich nicht den geringsten Zweifel. Vor allem, wenn ich mir noch in aller Eile einen kleinen Blick auf die Bedürfnispyramide nach Maslow erlaube. Da stehen im Fundament und den unteren Etagen der menschlichen Bedürfnisse die elementaren, existenziellen Bedürfnisse wie Essen, Trinken und ein Dach über dem Kopf. Darauf baut das gerade gehypte Sicherheitsbedürfnis auf, gefolgt von Zugehörigkeit, Anerkennung und Wertschätzung. Erst wenn diese Bedürfnisse zum großen Teil erfüllt sind haben wir die Muße uns selbst zu entfalten und zu entwickeln, uns zu fragen, wie den das gute Leben aussehen könnte? Für uns und für andere? Oder ob ein gutes Leben nur für uns ohne die anderen überhaupt möglich ist?
Kurz, gibt es das gute Leben im Falschen?

Damit wir aber auch gar keine Chance haben uns diese Fragen jemals zu stellen oder gar über *ACHTUNG* Alternativen nachzudenken zum globalisierten neoliberalen Rattenrennen, uns womöglich die Gleichung "Zeit ist Geld" am Arsch vorbeigeht, wir möglich weiter unsere Pflicht tun, aber nun selbst entscheiden was wir für diese halten und uns dabei auf den noch existierenden Artikel 1 und 20 des Grundgesetzes berufen, wird von Zeit zur Zeit etwas Leidensdruck in Form von alternativlosen Sachzwängen auf die unteren Bedürfnisebenen indiziert, seien es Harz IV Sanktionen oder die Rettung systemrelevanter Autisten die nur an Kohle denken können. Dazu gibt es dann noch ne riesige Menge an Katzenvideos, Eiskübelchallenges, alles unterlegt mit dem idiotischen "Happy" Song, eben unendlichen Spaß - die latente Depression und Unzufriedenheit durch mit Smartphones eingespritzter Ablenkung in einer Dauerwerbesendung.

Und wenn sie nicht gestorben sind, fühlen sich frei und leben happy bis an ihr Lebensende in der Demokratie.

*1 Ziel jeglicher Bildung sollte der Ausgang aus der Unmündigkeit sein, nicht der Hummer zum Shoppen in der Innenstadt. Aber Freiheit schmerzt.

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