Freitag, 9. November 2012

Blumenaquarelle oder das Märchen von der Kunst

Es war einmal eine Ausstellungseröffnung an einem Sonntagmorgen auf einer Burg im Münsterland. Dort versammelten sich wie jedes Jahr zu diesem Anlass die kulturinteressierten Bewohner des Städtchens. Dank ihrer grauen Haare strahlten die kulturellen Würdenträger eine natürliche Kompetenz in Fragen der Kunst aus.

Fast pünktlich begann die Kuratorin der Ausstellung mit ihrer Rede - vor der sich, wie gewöhnlich, alle schon gefürchtet hatten. In wohlgesetzten Worten, die zugleich sehr eindrucksvoll waren, würdigte sie die großartigen Leistungen der Künstler. Während sie gerade das Schaffen eines uns näher bekannten Künstlers schilderte, machte es "PLATSCH".

Die grauen Häupter fuhren herum und spiegelten sich in einem grauen Kittel, der von einem Mann getragen wurde, der wie es schien, der Zunft der Hausmeister zugehörig war. Irritiert bemerkten die grauen Kulturhäupter, dass dieser mit der für diesen Berufsstand üblichen Ignoranz begann, den edlen Holzboden des Ausstellungsraumes aufzuwischen. "Ja hat ihm denn niemand gesagt, dass hier heute eine Veranstaltung stattfindet? Das stört." Unterdessen trug die Rednerin vor: " ...arbeitete er dann erfolgreich als Bratwurstverkäufer vor einem Baumarkt in Herne, bevor er sich entschloss diese Karierre zu Gunsten einer Abendhausmeisterstelle in Münster aufzugeben." "Ah" bemerkten die Schlausten unter den grauen Häuptern "dies könnte auch Kunst sein" Nachdem sie diese Feststellung einmal getroffen hatten, betrachteten sie nun fasziniert und gespannt das Reinigen des Bodens, während die Worte: "Nach zahlreichen dieser prekären Beschäftigungsverhältnisse bei Künstlern wie Stephan US, Stefan Riebel, Jaepas, Tassilo Sturm, sowie dem Schriftsteller Andreas Weber, beschloß er als Meisterschüler von Ruppe Koselleck..."

"KLACKER" "KLACKER" "KLACKER" Verstört fuhren die würdevollen, in die kotemplative Betrachtung des Wischens versunkene Köpfe um 90 Grad herum und versuchten festzustellen, was denn nun eine weitere Störung des Kunstgenusses verursachte.

Ein Autonomer, das Gesicht verborgen unter einer schwarzen Sturmhaube und bewaffnet mit einer Spraydose stand vor den Kunstwerken und beschmierte diese und  - schlimmer noch - die Wand mit roter Farbe.
Voller Entsezen lasen sie die Worte "FUCK ART" auf den Bildern während der maskierte Banause wieder verschwand. Doch dann atmeten sie auf, denn es durchzuckte sie die Erkenntnis: "Das ist bestimmt auch eine Aktion oder Performance. Schließlich sind wir ja auf einer Vernisage. Gott sei Dank." Gerade schloß die Rednerin, die ein wenig ins Stocken und Stolpern geraten war, mit den Worten: "..sein Glück in der Kunstwelt zu versuchen." Und unsere Kunstkenner nutzten dankbar die Gelegenheit sich mit Applaus zu erleichtern.

Draussen stand derweil mit einer Kippe im Mund der Sprayer und dachte sich: "Scheiss Bespaßung für Bildungsbürger. Ist man erstmal im Kunstmärchen gefangen, gibt es kein Entkommen mehr. Die sind so stumpf."
Drinnen dachten unterdessen die Ergrauten: "Spannend und ganz schön experimentell was uns heute hier geboten wurde, trotzdem wären mir dann doch gut gemalte Blumenaquarelle lieber."

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